Malins Geburt - Wie Freddy sie erlebte

Am 2.5.2006 hatten wir wieder einen Termin bei den Hebammen. Julia war 10 Tage über dem Entbindungstermin und wir wollten größere Geschütze auffahren. Ein Rizinuscocktail wurde von der Hebamme vorgeschlagen und von Julia verkonsumiert. Alleine der Gedanke an Rizinuscocktail ließ die Kacke in mir hochquellen. Wir taten das, was uns die Hebamme vorgeschlagen hat: 1/3 trinken, spazieren gehen, 1/3 trinken und ruhen/schlafen und das letzte Drittel verkonsumieren und abwarten, was passiert.

Es rührte sich einiges! Die ersten (leichten) Wehen setzten gegen 16:15 ein. Die Hebamme rief gegen 17 Uhr an und batum Rückruf, falls die Wehen für eine Stunde alle 5 Minuten kämen. Ab ca. 21:15 kamen die Wehen in diesem Abstand und blieben so, so dass wir die Hebamme gegen 22:00 Uhr antexteten. Die Hebamme kam dann so gegen 22 Uhr. Und wir bereiteten einiges vor: Ich braute den Dammschutzkaffee. Julia veratmete die Wehen und alles lief eigentlich ganz gut. Nur die Wehenintensität ließ zu wünschen übrig und die Wehen kamen nicht mehr alle 5 Minuten, so dass über Nacht die Eröffnungsphase noch nicht weiter als 5cm kam – es also stagnierte.

Am Morgen – wir alle hatten so gut wie nicht geschlafen – stellte sich bei einer Wehe ein Abgang von grünem Fruchtwasser ein. Das ist ein schlechtes Zeichen, dachte ich bei mir. Die Hebamme eröffnete entsprechend, dass es besser sei, ins Krankenhaus zu gehen, dass man sich aber keine Sorgen zu machen brauche. Eile war auch nicht geboten, weil die Herztöne sehr stabil waren. Ich war sehr traurig, weil Julia sich so sehr eine Geburt zu Hause gewünscht hatte. Dies hatte sie mir nämlich in einer dramatischen Szene unter ungewolltem Heulen berichtet. Ich dachte bei mir: Jetzt sind wir so weit gekommen und dann müssen wir doch ins Krankenhaus! Insgeheim stellte ich mir auch vor, wie es bei mir bei einem Marathon war. Ich fühlte mich, als wären ich bei einem Marathon schon eine gewaltige Zeit unterwegs und der Mann mit dem Hammer wäre gekommen – viel zu früh – und hätte mir vor die Beine gehauen, es konnte nicht mehr weiter gehen. Es war einfach nicht fair! Ich war wirklich fertig! Wir sind im schlimmsten Verkehrschaos in die Innenstadt zum Elisabeth-Krankenhaus gefahren. Ich habe dort auch einen Parkplatz gefunden – welch Wunder! Dort haben wir das Beleg-Hebammen-Entbindungszimmer belegt. Ich war wirklich fertig mit der Welt. Ich versuchte meine Stimmung nicht auf Julia überspringen zu lassen, was natürlich nicht funktionierte! Julia weiß ziemlich genau wie ich ticke. Sie war auch sehr fertig und dachte schon an eine PDA, damit sie nicht unter Vollnarkose einen Kaiserschnitt bekäme. Zu diesem Zeitpunkt waren wir wirklich an einem Stimmungstief. Die Hebammen haben Julia dann aber schnell wieder aufgebaut und motiviert. Nach dem Motto „Wir gehen schrittweise vor“ zuerst geht es dem Kind gut – PUNKT. Dann mussten wir sehen, dass die Wehenqualität besser wird.

Irgendwann hatte ich vor lauter Depression „Pippi in die Augen“. Julia konnte ich das nicht verheimlichen und da hab ich ihr die Geschichte mit dem Marathon erzählt und sie tröstete mich! Sie fühlte sich in der Hinsicht bei weitem nicht so beschissen wie ich!

Was mich auch sehr deprimierte, war die Art, wie Julia die Wehen verarbeitet hat. Im Allgemeinen sagt man, dass Frauen die Wehen veratmen. Bei Julia war es auch so, aber eigentlich hat Julia nicht veratmet, sondern geschrien oder vielmehr verschrien und sie hat über Schmerzen geklagt. Das machte mir wirklich zu schaffen. Die Frau, die ich liebe, liegt da. Ich konnte nichts für sie tun, und alles, was wir geplant hatten, war den Bach runter gelaufen. Ich war so traurig! Ich habe versucht, mich zusammenzureißen. Aber ich hatte kein Konzept. Im Geburtsvorbereitungskurs haben wir in der „Männerunde“ über dieses Thema gesprochen. Ich habe das gemacht, was wir in diesem Kurs gelernt haben: Richtig atmen. Das habe ich dann auch mit Julia gemacht. Auf der einen Seite, damit Julia bei der ganzen Brüllerei wieder zu Atem kam, aber auch, um meine Probleme zu bearbeiten. Jetzt ca. 24 Stunden nach der Geburt von Malin stehen mir immer noch die Tränen in den Augen, wenn daran zurückdenke.

Ich habe oben schon erwähnt, dass es lange dauerte. Die Eröffnungsphase dauerte bis ca. 13 Uhr. Dann kam die Austreibungsphase mit Presswehen. Ab da durfte Julia offiziell mitdrücken. Leider waren die Wehen immer noch nicht stark genug, so dass es einen Schritt vor und einen Schritt zurück ging. Wir haben verschiedene Stellungen ausprobiert. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Julia konnte zwischen den Wehen einigermaßen Luft holen und sich erholen. Die Herztöne blieben schön kräftig. Gegen 3 Uhr packte Petra die Geburtsutensilien wie Handschuhe, sterilisierte Abklemmutensilien und so weiter (demonstrativ) aus und breitete diese aus. Sie hatte nicht gedacht, dass es noch geschlagene zwei Stunden dauern würde! Die eigentliche Geburt hat Julia auf dem Bett gemacht. Auch etwas, was sich Julia eigentlich so nicht gewünscht hatte, aber die ganze Plackerei hat sie sehr geschwächt und für das Rumgeturne hatte sie keine Energie mehr. Ich habe versucht, sowohl die Hebamme als auch Julia zu unterstützen. Irgendwann sind die Schamlippen auseinander gegangen. Zuerst nur unter den Wehen, später hat Malin den richtigen Weg gefunden. Ich habe Julia zugeflüstert „Ich wusste, wir hätten Malin noch ein Navigationsgerät einbauen sollen“. Eigentlich hätte sie mich dafür zum Mond schießen müssen.

Später öffneten sich die Schamlippen weiter und Julia konnte Malins Kopf fühlen. Der Oberarzt kam hinzu und drückte am oberen Rand des Malinbauches mit, in der Hoffnung, die nächste Wehe rechtzeitig kommt, um nicht wieder alles zurückflutschen zu sehen. Zwischenzeitlich hatte Julia einen Wehentropf bekommen, um die Wehentätigkeit zu intensivieren. Die Dosen wurden schrittweise erhöht. Julia musste wirklich hart arbeiten und pressen und Schmerzen ertragen und atmen und alles. Es dauerte sehr lange, bis die Schamlippen sich immer weiter öffneten. Irgendwann konnte ich die schwarzen Haare erkennen. Ich werde nie vergessen, als Petra sagte „wenn ich dir sage, hecheln, dass presst du nicht mehr, sondern fängst an zu hecheln“. Ich dachte so bei mir „Von wegen Hechelkurs“. Es dauerte allerdings dann noch zwei oder drei Wehen, bis Petra sagte „Noch eine Wehe“. Der Chefarzt grummelte irgendetwas – ich glaube er meinte, das es durchaus noch länger dauere. Bei der nächsten Wehe sagte Petra dann das Stichwort „Hecheln“ und Malin kam heraus als Julia laut pustend hechelte. Zuerst nur langsam der Kopf, dann mit einem Mal der ganze Rest. Ich glaube diese Verzögerung veranlasst Väter, nach der Geburt nachzuzählen, ob auch alles dran ist. Sicher bin ich mir nicht. Ja. Malin wurde am 3.5.2006 um 16:52 geboren. Ziemlich genau 24 Stunden nach den ersten ernstzunehmenden Wehen. Ich fragte vorsichtig, ob wir das Kind auf Julias Bauch legen könnten, und die Hebamme legte das Kind in Position.

Alles war dran! Zwei Arme an jeder Schulter, Oberarm, Unterarm und Hände mit fünf Fingern. Beide Beine hatten Oberschenkel, Unterschenkel und Füße mit fünf Zehen! Fantastisch! Der Kopf hatte zwei große schwarze Augen zwei Ohren einen Mund und eine Nase! Ich habe noch NIE so etwas Weiches und so etwas Tolles gefühlt wie die Haut des Kindes! Es ist so fantastisch! Es hatte viele schwarze Haare auf dem Kopf. Der Kopf war etwas deformiert und geschwollen. Es sah etwas unförmig aus aber das wusste ich ja – ich hatte es ja mehrfach gelesen und im Geburtsvorbereitungskurs erfahren. Ich war (und bin) so stolz auf Julia und Malin!

julia am Mai 18th 2008

Trackback URI | Comments RSS

Kommentar schreiben