Die abgebrochene Hausgeburt von Malin Josephine

Meine Schwangerschaft war wunderschön und unproblematisch. Die meisten Zipperlein wie Übelkeit und Wasser im Gewebe kannte ich nur vom Hörensagen.

Nur als sich dann der Termin – der 22. April 2006 – näherte und ich immer noch keine einzige Wehe hatte – selbst Senkwehen hatte ich nicht gespürt – , hatte ich langsam die Nase voll.

Der Termin kam und ging ohne irgendein Anzeichen von beginnender Geburt. Von da an musste ich alle zwei Tage zum CTG in den Hebammenladen, und frustrierenderweise zeigte sich nie etwas. Sechs Tage nach ET gab es mal zwei leichte Wehen auf dem CTG-Streifen, von denen ich aber gar nichts mitbekommen hatte…

Ich wurde immer frustrierter, obwohl es mir körperlich noch recht gut ging. Aber ich wollte endlich mein Baby im Arm halten! Aber mein Muttermund war immer noch zu, ganz weit oben und hinten. Unter diesen Umständen nützte es mir auch herzlich wenig, dass Malins Köpfchen schon seit Wochen tief und fest im Becken saß.

Am Dienstag, dem 2. Mai, zehn Tage über ET, nahm ich dann nach Absprache mit der Hebamme einen Rizinuscocktail. Dieser tat seinen Dienst dann wunderbar, und um 16.47 hatte ich die erste veratmungswürdige Wehe. Ich freute mich so sehr – endlich ging es los! Wir bereiteten den Babybalkon endgültg vor (nichts mehr mit Missbrauch als Nachttisch Zwinkern ) und legten im Dachgeschoss unsere Matratze zurecht. Um halb acht machte ich mir noch ein Sandwich, weil ich schon ahnte, dass das die letzte Mahlzeit für eine ganze Weile sein könnte…

Gegen halb zehn hatte ich eine Stunde lang alle fünf Minuten Wehen gehabt. Wir riefen beim Rufbereitschaftsdienst der Hebammen an, und Petra rief wenig später zurück. Sie sagte, sie würde so gegen elf da sein.

Um kurz nach zehn platzte die Fruchtblase. Wir riefen Petra nochmals an, um ihr das mitzuteilen.

Um kurz vor elf trudelte sie dann ein untersuchte mich und musste mir mitteilen, dass mein Muttermund leider erst knapp zwei Zentimeter auf war. Das war doch sehr frustrierend, da ich mich an der Faustregel „Eine Stunde – ein Zentimeter“ orientiert und nach dieser Rechnung schon so um die vier Zentimeter erwartet hatte.

Also wehte ich noch eine Weile weiter vor mich hin, teils laufend, teils kniend am Tuch hängend, das ich an den Dachbalken geknotet hatte. Zwei Stunden später war ich trotzdem gerade mal knapp einen Zentimeter weiter. Traurig

Petra riet uns, uns noch etwas hinzulegen und auszuruhen, das das wohl noch eine ganze Weile dauern würde. Sie selber legte sich unten aufs Sofa. Wir versuchten, ihren Rat zu befolgen. Freddy döste dann auch bald ein, aber ich musste feststellen, dass im Liegen vor mich hin zu wehen gar nicht ging. Also setzte ich mich hin, las ein wenig und veratmete alle fünf Minuten brav. Außerdem nahm ich brav jede Viertelstunde die Globuli, die Petra mir zur Wehenanregung gegeben hatte. Hin und wieder nickte ich mal für zwei Minuten ein, nur um entweder von einer Wehe oder vom Fast-vom-Stuhl-Fallen geweckt zu werden.

Um sechs Uhr morgens untersuchte Petra mich nochmal, und endlich, endlich war die Fünf-Zentimeter-Marke deutlich geknackt. Freddy und Petra redeten mir dann noch gut zu, mal etwas zu essen, da ich die Nacht über lediglich jede Menge stilles Wasser und ein paar Traubenzuckerdragees zu mir genommen hatte. Allein die Vorstellung, einen Joghurt oder so zu essen, fand ich aber total eklig. Die beiden redeten mit Engelszungen auf mich ein, bis ich mich schließlich bereit erklärte, eine Scheibe trockenes Brot zu essen – mehr um des lieben Friedens willen als aus Hunger. Mein Instinkt hatte mich aber nicht getrogen – kaum hatte ich mit einem Stückchen Brot auch nur meine Lippen berührt, überkam mich ein extremer Brechreiz. Das war es dann auch mit dem Thema Essen…

Da es mittlerweile richtig schön hell war und ein strahlend schöner Tag zu werden versprach, lief ich zwischen Wohnzimmer und Küche herum und veratmete dort weiter meine Wehen. Zwischendurch ging ich nochmal auf den Balkon und freute mich, dass die ganzen Petunien, die ich in der Woche davor gepflanzt hatte, sich ausgerechnet diesen Morgen ausgesucht hatten, um alle miteinander Blüten zu bilden. Das nahm ich als gutes Zeichen.

Die Wehen waren mittlerweile ganz ordentlich stark, und ich tigerte durch die Wohnung und tönte und atmete. Um acht untersuchte Petra mich nochmal. Ich war ein bisschen mehr als sechs Zentimeter offen, was an sich gut war – nur leider hatte sich das Fruchtwasser leicht grünlich verfärbt. Mir war auch, ohne dass Petra das sagen musste, klar, dass das nun hieß: Aus der Traum von der Hausgeburt und ab in die Klinik. Es war mir klar, dass das Kind nicht in absehbarer Zeit auf die Welt kommen würde. Ein oder zwei Stunden wären wohl noch okay gewesen.

Ich war schon enttäuscht, hatte aber zu dem Moment gar keine Zeit und keine Nerven, um richtig enttäuscht zu reagieren. Wohlgemerkt: Die Entscheidung gegen eine Klinikgeburt hatte ich Rotz und Wasser heulend getroffen, da das Ganze ein extrem emotionales und ängstebeladenes Thema für mich gewesen war. Überhaupt bin ich eigentlich ziemlich nah am Wasser gebaut, aber nun kam ich noch nicht mal auf die Idee zu heulen.

Wir packten also in aller Ruhe unseren Kram zusammen – die Kliniktasche hatte ich als Backup glücklicherweise schon Wochen vorher gepackt, und der MaxiCosi war eh seit Wochen im Auto. Nur – morgens halb neun in Deutschland, was ist da? Genau, Berufsverkehr. Dieser ist in Bonn sowieso immer reichlich nervenzerfetzend – und Wehen veratmend im Auto mit dem Befund „grünes Fruchtwasser“ im Kopf (Man hört ja so allerhand…) ist das natürlich ganz besonders toll. Nach einer ganzen Weile trafen wir dann endlich ein und fanden, oh Wunder, direkt einen Parkplatz, was bei einer Klinik in der Bonner Südstadt ohne eigene Besucherparkplätze natürlich fast ein Wunder ist um diese Uhrzeit. Zwinkern Es war zwar ein Parkplatz, der mit Parkscheibe für zwei Stunden zu benutzen war, aber das war uns so ziemlich Wurscht.

Wir trafen sogar vor Petra ein, obwohl wir von zuhause gemeinsam losgefahren waren. Petra hatte uns vorher noch gefragt, ob wir was dagegen hätten, wenn sie sich ablösen ließe. Ganz ehrlich, hätte sie das nicht gesagt, hätte ich das selber vorgeschlagen. Ich wusste ja, dass sie seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, und die Mädels aus dem Hebammenladen sind ja alle einfach toll! Kurz danach sollte also die „kleine“ Petra als Ablösung eintreffen.

Schon bald traf Petra (noch die „große“) ein. Freddy zog dann mit meinem Mutterpass und meinen restlichen Unterlagen los, um mich in der Klinik anzumelden. Petra schloss mich inzwischen ans CTG an. Und oh Schreck: Die Herztöne waren auf 65. Ich bekam einen Riesenschreck. Petra wies mich an, mich auf die andere Seite zu drehen, woraufhin sich die Töne Gott sei Dank erholten. Trotzdem ging sie sehr rasch ans Telefon und forderte jemanden an, der ein Blutbild machen sollte. Daraufhin kam dann eine nette Ärztin, die mir einen Zugang legte und mir Blut abzapfte („Immer diese Vampire!“ sagte Freddy). Sie sollte ich dann nicht wiedersehen, weil inzwischen klar war, dass meine Zusatzversicherung Chefarztbehandlung beinhaltete.

Inzwischen wurde mir die Frage gestellt, wie das mit einer PDA sei. Ich hatte nur im Kopf: Grünes Fruchtwasser, Herztöne runter, es dauert noch eine ganze Weile bis zur Geburt – das Ganze könnte im schlimmsten Fall in einem Kaiserschnitt enden. Und wenn dem so sein sollte, wollte ich auf jeden Fall bei Bewusstsein sein und nicht in Vollnarkose mein Kind zur Welt bringen. Außerdem war ich zu diesem Zeitpunkt an einer Stelle angelangt, die Freddy „der Mann mit dem Hammer“ nennt. Dazu muss man wissen, dass er mehrere Marathons gelaufen ist. Und er sagt, bei Kilometer 37 steht dann so ein Mann hinter einer Hausecke, der einem mit voller Wucht einen schweren Hammer vor den Latz knallt. Und dann gibt man entweder auf oder man überwindet sich und schafft die letzten Kilometer auch noch.

Dies war also meine Hammerstelle, und mir war zu dem Zeitpunkt echt alles so scheißegal, Hauptsache, meinem Kind ging es gut. Als sagte ich so in etwa „Ja, alles klar, her mit der PDA, mir tut eh alles weh!“, und das mit meiner Nadel-und-Spritzen-Phobie! Freddy weinte dann ein wenig, weil er so traurig für mich war, dass ich so unter Schmerzen litt und sich mein Traum von einer interventionsfreien Geburt so zerschlagen hatte. Und obwohl ich, wie schon erwähnt, sehr nahe am Wasser gebaut habe, habe ich an diesem Tag keine einzige Träne vergossen. Ich war da schon echt resigniert.

Wir bekamen dann diesen Fragebogen, während der Hebammenwechsel stattfand. Brav füllten wir auch alles aus. Die „kleine“ Petra untersuchte mich dann nochmal und meinte, ich sei über sieben Zentimeter eröffnet und fast in der Übergangsphase, ob ich es nicht doch erstmal ohne PDA probieren wollte? Dass sie so ein Zutrauen zu mir und meinem Kind hatte, gab mir dann neuen Mut, und ich stimmte zu.

Die nächsten Stunden waren dann echt verdammt anstrengend. Ich hatte die Wehen fast nur im Rücken, vielleicht alle halbe Stunde mal ein Ziehen im Unterbauch oder im Schambein, aber sonst echt nur im unteren Rücken. Bei mir trifft wirklich zu, was man so sagt: dass die Wehen da zu spüren sind, wo man auch seine Regelschmerzen hat. Das wollte ich ja nie so ganz glauben, denn irgendwie musste sich doch der Bauch zusammenziehen, oder?

Ich brüllte während der Wehen die ganze Station nieder – irgendwie war stilles Veratmen so gar nicht meins. Nach und nach öffnete sich der Muttermund, aber leider etwas oval, da er durch den langen Druck des Köpfchens auf einer Seite geschwollen war. Petra schob dann nach und nach diesen Saum während der Wehen weg. Da ich eh so miese Schmerzen hatte, kam es darauf nun echt nicht mehr an.

Einmal gingen im Vierfüßlerstand noch die Herztöne runter, erholten sich aber superschnell, als ich wieder stand.

Ich stand also so an der Sprossenwand und hängte mich zum Vertönen (wohl eher zum Verbrüllen) dran, und irgendwann stürmte halt ein Kerl rein und stellte sich als Chefarzt vor. Freddy hat sich total geärgert, weil der so ein richtig klischeehaftes Alphatierchen-Auftreten an den Tag gelegt hat. Der stürmte ohne anzuklopfen rein, ließ die Tür auf (während ich mit meinem blanken Hintern in Richtung Tür eine Wehe vertönte) und streckte mir kurz die Hand hin, um sich vorzustellen. Freddy erzählte nachher, dass auch Petra ihren Blicken nach zu urteilen voll entsetzt von diesem Benehmen war. Er ignorierte seine ausgestreckte Hand und ging erstmal demonstrativ zur Tür, um sie zu schließen.

Der Chefarzt verkündete dann, dass meine Entzündungswerte leicht erhöht seien, und da der Blasensprung mehr als zwölf Stunden her war, müsste ich kurz vor den Presswehen an den Antibiotika-Tropf. Gut, ein weiterer Punkt auf meiner „Wollte-ich-nie“-Liste, aber was sollte ich da groß rumdiskutieren. Ich hatte wirklich Besseres zu tun.

Also bekam ich diesen blöden Tropf, und kurz darauf konnte ich mich schon mit der ersten Presswehe an das an der Sprossenwand hängende Tuch hängen. Freddy stand währenddessen hinter mir. Nach einer Weile war der Tropf dann auch endlich durchgelaufen und wurde abgemacht.

Irgendwann wechselten wir die Position, Freddy setzte sich auf einen Stuhl, ich hockte mich vor ihn. Petra hatte schon einen Geburtshocker geholt, auf den ich aber noch nicht drauf durfte, weil sich noch nicht genug getan hatte. Meine Presswehen waren zu kurz und zu selten, um wirklich effektiv zu sein. Es war zwar nach diesen fiesen Übergangswehen echt eine Erleichterung, mitpressen zu dürfen, aber es tat sich einfach nichts. Irgendwo war da ein Muster… Auch Oxytocinspray half immer nur eine Wehe lang.

Irgendwann beschloss Petra dann, mich an den Wehentropf anzuschließen. Zuerst mit einer sehr niedrigen Dosis, die zur Folge hatte, dass sich die Wehen zwar verbesserten, aber immer noch nicht sonderlich effektiv waren.

Zu einem gewissen Zeitpunkt war ich dann so fertig, dass sie mich ins Bett kommandierte. Dort erhöhte sie dann den Tropf nochmal, holte sich eine Schüssel mit heißem Wasser und setzte sich im Schneidersitz vor mich aufs Bett. Da lag ich dann also in der klassischen Käferposition (wollte ich ja auch nicht) und röhrte so richtig laut beim Pressen. Auch als Petra sagte, ich solle doch mal ohne Ton pressen, stellte ich schnell fest, dass ich den Krach brauchte, um so richtig mit aller Kraft nach unten zu schieben.

Ich hatte inzwischen jegliches Zeitgefühl verloren, wunderte mich jedoch, warum Petra Freddy alle fünf Minuten zum Waschbecken schickte – so schnell konnte das Wasser doch nun echt nicht kalt werden…

Für die letzte Stunde oder so kam dann wieder der taktvolle Chefarzt rein, dessen Aufgabe dann darin bestand, links neben mir zu stehen, gelegentlich den Tropf hochzudrehen, wenn Petra meinte, das sei nötig und mir während der Wehen zwei Finger in den Oberbauch zu drücken. Mann, Mann, Mann, das sah echt harmlos aus, ich hatte beim Nachhausekommen lediglich vier Abdrücke von Fingernägeln und zwei punktgroße blaue Flecke an der Stelle. Aber die unterste Rippe tat mir weh ohne Ende, und ich muss unter der Haut einen mindestens handtellergroßen Bluterguss gehabt haben von dieser Piekserei…

Naja, der Tropf wurde halt weiter erhöht und erhöht, und ab und an bekam ich nochmal das Nasenspray. Ich fand es streckenweise echt frustrierend – ich röhrte und röhrte, drei Leute standen um mich rum und feuerten mich an, und jedes Mal, wirklich, JEDES Mal, wenn Petra in ihren Anfeuerungsrufen an der Stelle war „Ja, das machst du super, komm, noch einmal schieben!“, ließ die Wehe nach. Das war echt blöde, und am liebsten hätte ich mir dieses Nasenpray komplett reingedrückt, das brachte nämlich spürbare Sofortwirkung.

Zwischendurch machte Petra den Vorschlag, dass ich mich doch nochmal hinhocken solle, was ich begeistert aufnahm, da ich ja geplant hatte, schön mit Hilfe der Schwerkraft zu gebären und so… Naja, ich hockte dann auf diesem hohen Bett zwischen den gynäkologischen Beinschienen und hielt mich dran fest, hinter mir stand Freddy auf dem Bett und stützte meinen Rücken, und vor mir hockte Petra im Schneidersitz. Das muss echt ein Bild gewesen sein… Leider merkte ich nach drei Presswehen, dass meine Beine das nicht mitmachten, also musste ich mich wieder auf den Rücken legen.

Irgendwann konnte ich dann das Köpfchen fühlen, das sich auch schön weiter vorschob. Endlich! Ich fand das so frustrierend, als es sich immer zurückschob, weil die Wehen immer um Sekunden zu kurz waren. Der Kopf war ganz schön geschwollen, Petra konnte die Fontanelle unheimlich schlecht spüren, der Arzt gar nicht, und Petra äußerte die Vermutung, dass mein Kind ein Sternengucker sei, weil es so lange dauerte. Ich sagte, vielleicht vererbe sich das ja, ich sei auch einer gewesen.

Nun war also der Kopf zu spüren, was mir wieder neue Motivation gab. Es fühlte sich echt an, als ob ich einen Köttel im Hintern quersitzen hätte… Da war aber keiner, der Rizinuscocktail hatte seine Arbeit echt gründlichst erledigt, und danach kam ja nix mehr rein…

Also presste ich weiter. Ich stellte fest, dass die Wehen schneller hintereinander kamen, wenn ich die Beine auf diese Schienen legte und sie dann während der Wehe zurückzog und dran abstützte. So ging das eine ganze Weile, ich röhrte vor mich hin, bis Petra irgendwann sagte (laut Freddy, ich hab das nicht mitgekriegt): „Noch eine Wehe.“ Der Arzt guckte äußerst ungläubig, Freddy auch, und ich bekam nichts mit davon. Dann kam die nächste Wehe, ich röhrte und röhrte, bis irgendwann Petras Anweisung „Hecheln, hecheln, hecheln!“ zu mir durchdrang. Ich hechelte und hechelte, dann: „Schieben schieben!“, und dann spürte ich dieses unglaubliche Gefühl, einen neuen Menschen aus mir herausgleiten zu lassen! Es war 16.52 Uhr, fast genau 24 Stunden nach der ersten richtigen Wehe.

Zuerst war sie ganz graublau, dann fing sie an zu knöttern und wurde recht schnell rosig. Petra und der Arzt sahen sie mit einem etwas überraschten Ausdruck an, drehten sie kurz hin und her, legten sie mir auf den Bauch, deckten ein Handtuch über sie und ließen Freddy und mir Zeit, sie zu bestaunen. Sie knötterte da auf meinem Bauch vor sich hin und war so unglaublich weich und zart! Ich erwartete eigentlich, dass ich in Tränen ausbrechen würde vor Rührung und Glück, wie schon seit Wochen immer, wenn ich im Fernsehen eine Geburt sah, aber meine Augen bleiben trocken. An diesem Tag hat Freddy meine ganzen Tränen geweint, für die ich keine Energie und Zeit hatte…

Freddy durfte dann die Nabelschnur durchschneiden, wir streichelten sie weiter, und Petra wartete auf die Nachgeburt. Die kam dann auch ziemlich bald. Mann war die groß! Endlich konnte auch der blöde Wehentropf abgemacht werden.

Nun setzte sich der Chefarzt vor mich und begann zu nähen. Ich hatte einen Dammriss zweiten Grades. Glücklicherweise war der Schließmuskel nicht verletzt. Oh Mann, ich hätte lieber noch zwei, drei Stunden mehr Presswehen gehabt als genäht zu werden… Und das, obwohl er mir eine Betäubungsspritze gesetzt hatte (Erwähnte ich schon mal, dass ich eine Spritzen- und-Nadel-Phobie habe?)…

In der Zwischenzeit hatte Malin mir eine Riesenportion Mekonium auf den Bauch gesetzt, und wir konnten das erste Mal in unserem jungen Elternleben Bekanntschaft mit jenem legendären Zeug von bitumenartiger Konsistenz machen. Wie, das geht auch ab?

Nachdem Malin und ich dann wieder einigermaßen sauber waren, half Petra mir dann, sie anzulegen. Ich dürfe sie bloß nicht einschlafen lassen, weil sie ja noch was mit ihr vorhätte…

Irgendwann hatte sie fertig getrunken, und Petra nahm sie mit zum Vermessen. Sie erklärte mir ihren erstaunten Blick: Erstens war Malin kein Sternengucker, es war nur so schwer, weil der Kopf so angeschwollen war, zweitens war sie erheblich größer und schwerer als sie beim Tasten geschätzt hatte.

Nach dem Vermessen legte ich sie noch an der anderen Seite an. Währenddessen fütterte Freddy mich mit Müsliriegeln. Dann durfte Freddy sie anziehen. Ich lag dann so auf dem Bett und blutete vor mich hin, und irgendwann merkte ich, dass ich doch mal dringend auf Toilette musste. Jaja, das ganze Wasser, das ich getrunken hatte, wurde jetzt nicht mehr als Schweiß gebraucht! Aus irgendeinem Grund dachte ich, das ginge schon, und wollte vom Bett steigen. Petra, die Freddy gerade die Handhabung eines Wickelbodys zeigte, bemerkte zum Glück, dass ich da mit an den Beinen herunterlaufendem Blut hing, orderte mich zurück aufs Bett und machte mir erstmal eine Art „Windel“ aus wasserdichten Unterlagen. Dann konnte ich also in Freddys Gesellschaft auf Klo. Mann, das war etwas, auf das ich mich die ganzen letzten Schwangerschaftswochen so gefreut hatte: Auf Klo zu gehen, zu pinkeln, und dieses erleichternde „Blase-leer“-Signal zu bekommen. Tja, man erfreut sich auch an kleinen Dingen…

Der Arzt empfahl uns, über Nacht zu bleiben, wegen der über zwölf Stunden offenen Fruchtblase. Es könne sein, dass unser Kind eine Infektion habe, und das müsse man im Labor prüfen. Das ginge erst morgen früh um neun. Naja, da Malin im Falle einer Infektion eh hätte in die Kinderklinik verlegt werden müssen, entschieden wir uns dazu, heimzugehen. Eine Infektion würden die Hebammen auch erkennen, und in die Kinderkllinik kämen wir auch von hier aus.

So gegen acht machten wir uns dann auf den Weg. Petra maß noch meine Temperatur und meinen Blutdruck. Was mich sehr erstaunte: Er war 130 zu 85. Normalerweise neige ich zu eher niedrigem Blutdruck, und ich fühlte mich so schwach, dass ich mit einem von 100 zu 50 oder so gerechnet habe. Smilie

Wir machten uns also vorsichtig und auf wackligen Beinen (ich mehr, Freddy weniger) auf nach Hause. Natürlich hatten wir ein Knöllchen bekommen, aber vielleicht bringt ja Widerspruch mit beigefügter Geburtsurkunde was. Zwinkern (Nachtrag: Nee, brachte nichts, aber egal…)

Zuhause holten wir uns ganz schnell zwei Pizzen von der Pizzeria gegenüber. Meine Schwäche kam wirklich größtenteils davon, dass ich 24 Stunden nichts gegessen hatte. Nach der Pizza fühlte ich mich nicht mehr so wackelig. Wir telefonierten noch kurz mit unserem Müttern, legten uns dann ins Bett und bestaunten unsere Tochter.

Fazit: Es sind unheimlich viele Sachen so gelaufen, wie ich sie gar nicht wollte:

Ich musste in die Klinik, trug ein Dauer-CTG, bekam einen Zugang, bekam Antibiotika, bekam einen Wehentropf, habe das Kind auf dem Rücken liegend geboren… Trotzdem war es ein wunderschönes Erlebnis! Das war meine Geburt, und so, wie sie war, war sie genau richtig (Außerdem gibt es wohl sowas wie ausgleichende Gerechtigkeit: Nach der tollen Schwangerschaft konnte ich wohl schlecht eine einfache Geburt verlangen! Smilie ).

Und noch etwas wurde mir klar, was ich bisher für ein Märchen gehalten habe: Ich kann mich echt nicht mehr an der Wehenschmerz erinnern. Ich dachte immer, klar ist das dann egal, aber man vergisst doch sowas nicht. Na, von wegen! Ich weiß zwar noch, DASS es höllisch wehgetan hat, aber nicht mehr, wie… Deshalb war ich völlig überrascht, Rückenschmerzen vom Liegen im Bett zu bekommen – bis mir dann einfiel, dass das wohl dann die Nachwehen sind. Zwinkern

julia am Mai 17th 2008

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